In meinem letzten Blog über Die Zukunft des Lesens habe ich die Metastudie des europäische Forschungsnetzwerk Evolution of Reading in the Age of Digitisation (E-READ) und die Stavanger Erklärung der beteilgten Wissenschaftler aufgegriffen.
Im Kern beschäftigt sich E-READ mit der Frage, wie wir im Hybrid-Zeitalter von Lesen und Schreiben die zur Verfügung stehenden digitalen und analogen Ressourcen Altersgruppen- und nutzungsbezogen optimal ausschöpfen und verbinden können.
Embodiment - verstehen & behalten
Bei narrativen Texten ist die gedankliche Aufnahme und Weiterverabeitung unabhängig von der Nutzung digitaler oder analoger Medien. Informative Texte werden in der Regel bei digitaler Aufnahme gut verarbeitet. Bei langen Texten sieht das anders aus.
Für kognitive Leistungen wie Erinnerung, Ausbildung von Wortschatz und Konzentration sind Printmedien unersetzlich. Bei aller Digitalisierungseuphorie wurde die spezifische Rolle des Embodiment für die kognitiven Prozesse des Verstehens und Behaltens außer Acht gelassen.
Übergreifend gilt: je mehr Input, je länger die Texte, desto klarer die Vorteile für haptische Papiermedien als Informationsträger.
Die Verfügbarkeit haptischer Lektüre-
quellen neben den digitalen bleibt unabdingbar
In der Lernpädagogik zu berücksichtigen sind ferner natürlich die differenten Lernprofile, die sich aus individuellen Fähigkeiten und Dispositionen zusammensetzen. Dogmatische Zielsetzungen sind dabei eher kontraproduktiv. Die Verfügbarkeit haptischer Lektürequellen neben den digitalen bleibt unabdingbar.
Fridtjof Küchemann, Feuilleton-Redakteur der FAZ, bemerkt dazu in seinem lesenswerten Beitrag: “Digitale Texte bieten ausgezeichnete Möglichkeiten, die Textpräsentation auf individuelle Präferenzen und Bedürfnisse abzustimmen.”
Ein übersteigertes Vertrauen in unsere digitalen Lesefähigkeiten?
Er unterschlägt allerdings auch nicht die latenten Konzentrationsprobleme: “Leser neigen beim Lesen digitaler Texte eher zu übersteigertem Vertrauen in ihre Verständnisfähigkeiten als beim Lesen gedruckter Texte, vor allem, wenn sie unter Druck stehen, was wiederum zum Überfliegen und zu geringerer Konzentration auf den Inhalt des Gelesenen führt.”
Eine Quintessenz, die Küchemann zu einem der brennenden Probleme der Gegenwart führt: “Wird unsere Anfälligkeit für Fake News, Einseitigkeit und Vorurteile durch übersteigertes Vertrauen in unsere digitalen Lesefähigkeiten verstärkt?”
Print behält seine lernpädagogische Relevanz
Fazit: Print behält seine lernpädagogische Relevanz. Unsere interdisziplinäre wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Einsatz digitaler Lernmaterialien im Primarbereich hat gerade erst begonnen. Bis zu einer Entscheidungsreife bedarf es noch erheblicher gemeinsamer Anstrengungen von Pädagogen, Psychologen, Gehirn- und Sozialforschern sowie Geisteswissenschaftlern.
Die Bedeutung unseres Tastsinnes für unseren Weltbezug und unseren Platz darin kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Aus psychologisch-pädagogischer, soziokultureller – und auch aus ökonomischer Perspektive.
Wenn Sie mehr erfahren wollen über die besondere Beziehung von Mensch und Objekt und über die besondere Rolle der Hand – wie sie unsere Wahrnehmung, unser Denken und unser Verständnis der Welt prägt -, dann finden Sie hier unser Whitepaper „Hapticals - Multisensorische Markenbotschafter“ zum kostenlosen Download.