Es ist noch gar nicht so lange her, als wir auf dem Facebook-Account von Touchmore zwei Postings zum Thema Buch veröffentlichten. Das erste griff eine aktuelle Nielsen-Studie für den US-Markt auf, derzufolge sich das analoge Kinderbuch jenseits des großen Teiches gegen die allgegenwärtige digitale Konkurrenz souverän behauptet.
Das zweite Posting beschäftigte sich mit dem verblüffenden Comeback vieler europäischer Stadtbibliotheken als soziale Begegnungs- und Kreativstätten sowie den beiden Auslösern.
Zunächst unser NFT – der Need for Touch, unser Berührungshunger, verstärkt durch unseren sozialen Hunger, dem Bedürfnis zur persönlichen Begegnung.
Dazu die analoge Rückholbewegung: “Die unaufhaltsame Virtualisierung der Welt gebiert zugleich den Wunsch nach dem Gegenteil. Die Menschen wollen reale Dinge erschaffen, am besten gemeinsam mit anderen.”
Und auch zur offensichtlichen Trendwende beim Buchhandel scheint es hier einen Link zu geben, ablesbar nicht nur an wieder anziehenden Absatzzahlen, sondern auch am viele Beobachter verblüffenden Einstieg von Amzon in stationäre Buchläden.
Jeff Bezos Unplugged?
“Why Is Jeff Bezos Going Unplugged?” fragt sich Martin Lindstrom, einer der Pioniere des multisensorischen Marketings und gerne auch als “Sherlock Holmes des Marketings” bezeichnet.
Und in der Tat hat der gebürtige Däne mit Wohnsitz in Australien ein neues, Kreise ziehendes Buchwerk vorgelegt: “Small Data”. Und das hat es durchaus in sich. Aus den kleinen Beobachtungen des Alltags zieht er seine Schlüsse und verbindet diese mit Big Data.
So verbringt ein durchschnittsamerikanischer Erwachsene rund 11 Stunden am Tag mit elektronischen Medien – ganz in Sichtweite der nächsten Online-only Existenzstufe. Genau in dieser Situation überrascht Amazon-Chef Jeff Bezos mit der Einrichtung von Dutzenden analogen Buchläden.
Wer Bezos kennt, weiß, dass ihn bei diesem Schachzug kein Anflug von Nostalgie reitet. Lindstrom stellt sich die Frage nach der Logik hinter diesem für einen Digitalpapst geradezu „konterrevolutionären“ Schritt. Dabei verknüpft er seine - zugegebene spekulative - Antwort mit „Small Data“, seinen eigenen subtilen Beobachtungen seines und unseres Alltags der letzten Jahre, die von Big Data gar nicht erst erfasst werden (können).
Bezogen auf das Sujet der US-Buchladenkultur konstatiert Lindstrom ein verändertes Publikum, mit dem auch eine gänzlich veränderte Sozialkultur in die Buchtempel Einzug gehalten hat. War es vor fünf Jahren vorzugsweise noch der (vornehmlich) weibliche Einzelkunde, der zwischen Regalen und Buchtischen Inspiration und Ablenkung suchte, sind es heute ganze Gruppen junger Frauen, die die Tische umringen, jedes Buch berühren, die Rückseitentexte lesen und es weiter herumreichen. Weiß das Buch der Gruppe zu gefallen, wird es von der „Entdeckerin“ gekauft.
Die Renaissance der taktilen Interaktion
Lindstroms Schlussfolgerung: „Tactile interaction has become substantially more prominent than before. Thinking about it, it made sense, given the fact that the first thing we touch as we open our eyes in the morning is the smartphone. It's 2016 and touching other humans has somehow become secondary.“
Und ähnlich wie wir es im Zusammenhang mit der Renaissance der Stadtbibliotheken auf einer Ebene des Bedeutungswandels aufgegriffen hatten, dechiffriert auch Lindstrom eine vollkommen neue Bedeutung der US-Buchhandlung: “Our physical communities seem to have disappeared and moved online. As a consequence, the book store has taken on a completely different role. You could say that the book store has replaced our local community center.”
Die vielerorts erwartete Totaldominaz der Kindle Reader und Artverwandter ist ausgeblieben. Die Amazon-Buchumsätze bewegen sich auf hohem Niveau, stagnieren aber. Das hat seine Ursachen. Eine wesentliche: „Within all of our technology-addiction hides another undiscovered need-- to feel human again.“
Der Autor von „Small Data“ attestiert Jeff Bezos auch weiterhin ein untrügliches Gespür für den nächsten Megatrend. Social geht eben auch analog – back to the roots: „Humans once again want to be human, even if that means books without batteries, sold in physical stores, representing an actual community with real human interaction.“
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