Papier – ein sterbender Werkstoff? Niemand kauft noch Zeitschriften? Der erst schleichende, nunmehr beschleunigte Tod wurde dem Medium Print bereits seit langem prophezeit.
Getroffen hat es vor allem die Newssparte mit den Tageszeitungen sowie den Boulevard. Ansonsten lehrt ein Blick ins Sortiment der uns geläufigen Vertriebskanäle: Der Blätterwald rauscht und wogt, er hat sich nur in der Zusammensetzung seiner Titel verändert.
Im Gegenteil: Printmagazine erfreuen sich auch im Jahr 2015 größter Beliebtheit, bieten sie doch eine greifbare Alternative als Auszeit vom digitalen Malstrom. Davon profitieren in erster Linie Publikumszeitschriften, Fach- und Lifestyle-Magazine.
Sind sie gut gemacht, sucht das multisensorische Erlebnis der Printmedien seinesgleichen. Der haptische Kontakt, das Rascheln beim Umblättern, der Duft der Druckerschwärze, das visuelle Erlebnis, beginnend beim Cover – ein Zusammenspiel der Emotionen, hinter denen jeder Screen der Welt verschwindet.
Printmedien auf Erfolgskurs
Erst jüngst sprachen die aktuellen IVW-Zahlen ganzen 151 Publikumszeitschriften eine steigende Auflage zu. Diese stehen zwar 353 Magazinen mit sinkenden Verkaufszahlen gegenüber, attestieren dem totgesagten Markt aber eine Zukunft, die bei weitem nicht so düster ist, wie es die landläufige Meinung suggerieren mag.
Einer der größten Gewinner: der dänische Spielzeughersteller Lego. Die Zeitschrift Lego Chima verzeichnete einen Auflagenzuwachs von stolzen 61%, was in absoluten Zahlen ein Wachstum auf fast 100.000 Exemplare bedeutet. Die Lego-Magazine Ninjago und friends enterten die IVW-Statistik mit 110.000 bzw. 28.000 Verkäufen. Der potentiell größte Beststeller des dänischen Imperiums verbindet gleich zwei starke Marken: Lego und Star Wars.
Wer nun erfolgreiche Kindermagazine wittert, ist auf dem richtigen Weg: Unter den 50 erfolgreichsten Titeln finden sich noch fünf weitere Zeitschriften für die Kleinsten: das alteingesessene Lustige Taschenbuch, Prinzessin Lillifees Zauberwelt, das Hello Kitty-Magazin, Wickie und die starken Männer sowie Bob der Baumeister.
Der Markt für Kinder unterliegt allerdings einer besonders hohen Fluktuation. Magazine treten in den Markt ein, verschwinden wieder – das Tempo ist verglichen mit Erwachsenenzeitschriften enorm. Dennoch gilt festzuhalten: die Nachwuchswelt und ihr Leseverhalten lösen sich keinesfalls in digitalen Sphären auf.
Augenscheinlich auf Erfolgskurs segelt weiterhin die Phalanx der Frauentitel: Women’s Health, Donna, Laviva etc. Auch Titel wie Chip Test & Kauf, Geo Special und - nach einer Radikalkur - das Pop-Urgestein Bravo vermelden steigende Auflagen.
Selbst Nischenmagazine punkten. Ob Oldtimer Praxis, Der Raubfisch oder die Motorrad News: der Special Interest-Markt verzeichnet ein Wachstum von bis zu 25,3%.
Multisensorische Printmedien als Zukunftsmodell
Der Markt für Printmagazine ist mitnichten tot – er verändert sich lediglich, wenn auch massiv.
News finden sich im Internet, dem konkurrenzlos schnellsten Medium. Auch das Feuilleton zeigt Umzugstendenzen. Ob Theater-, Kino- oder Musikrezension: Das Internet bietet eine unüberschaubare Bandbreite an entsprechenden Blogs und Online-Magazinen. Das wiederum ist für Print-Titel eine Chance: Fokus setzen, bei der Auswahl helfen, geschickt kuratieren, intelligent mit Online-Kanälen vernetzen.
Für Nostalgie gibt es keinen Spielraum mehr. Die Stärken des Prints gilt es zu nutzen und mit den modernen Formen des Informationszeitalters in Einklang zu bringen.
Diese Stärken liegen vor allem in der Qualität. Ein interessanter Titel als Grundvoraussetzung harmoniert schlechterdings nicht mit einer Billigproduktion, ablesbar an der eingesetzten Papierqualität über Instant-Layout bis hin zu Texten, die Schreibautomaten inzwischen besser draufhaben.
Gut recherchierte Texte im Langformat, aufbereitet mit gutem Bildmaterial, sind am Bildschirm nicht adäquat zu goutieren: ein Prä für den Print.
Das vor allem haptische Medium Print behauptet sich auch in Zeiten der Informationsverflüssigung durch Digitalisierung.
Print hat nach der Rosskur seiner Entschlackung sogar das Potential zum Erfolgsmodell. Gleiches gilt übrigens auch für Bücher. In Parkanlagen, an Haltestellen und in den öffentlichen Verkehrsmitteln sehe ich deutlich mehr in Bücher vertiefte Mitbürger. Kindle-Leser und Artverwandte sind deutlich in der Minderheit.
Den flüchtigen Konsum von Inhalten hält die Cloud bereit. Wer sich mit Inhalten auseinandersetzen will, will zugreifen. Da muss die Cloud passen.