Die Welt kommt zu uns durch die Sinneskanäle. Jede Berührung, jede Farbe und Form, jeder Klang und Duft ziehen teils schon im Mutterleib erste neuronale Spuren. Sie verbinden sich zu mit uns wachsenden Erfahrungspäckchen, aufgeladen mit emotionalen Feedbacks und verknüpft mit Bedeutungen.
Der Grundstock des impliziten Systems ist bereits im Einschulungsalter gelegt und bildet die Basis für all die unbewussten Entscheidungen, die unseren Alltag prägen. Die Hirnforscher schätzen, dass wir zu rund 90 bis 99 Prozent von impliziten Reaktionen auf sinnliche Signale geleitet werden.
Kapazitätsgrenzen
Denn der jüngste Teil des Gehirns, der reflexionsbegabte Frontkortex wäre schlicht überfordert, jederzeit aufs Neue die Flut der sinnlichen Reize zu bewerten. Während das Unbewusste pro Sekunde rund 11 Mio. Bit verarbeiten kann, beschränkt sich die Kapazität des Bewusstseins in der gleichen Zeitspanne auf 40 bis 60 Bit.
Das implizite System entscheidet nach einfachen Kriterien: relevant oder irrelevant, ohne emotionales Feedback keine Reaktion. Nach einer halben bis einer Sekunde werden die als wichtig erkannten Informationen vom Unbewussten an die Reflexionszentrale weitergeleitet. Insgesamt vergehen bis zu zehn Sekunden, bevor die bewusste Entscheidung fällt. Meist weicht sie nicht vom impliziten Vor-Urteil ab.
Emotion überflügelt Reflexion
Besondere Aufmerksamkeit schenken wir Erfahrungen, die uns multisensorisch ansprechen. Ob ein kühler Drink in der Strandbar, ein Willkommensgruß mit herzlicher Umarmung oder ein haptischer Werbebotschafter, der die Qualitäten des Absenders nicht nur sicht-, sondern auch fassbar macht.
Das archaische Erbe wurde von Neuroforschern auf den Begriff „Multisensory Enhancement“ getauft.
Jeder weitere Sinn, der über eine monosensorische Ansprache hinaus aktiviert wird – z.B. visuell dominierte Kommunikation plus zielgruppenaffiner Werbeartikel – erhöht die Wirkung auf den Empfänger jeweils um den Faktor 10. Entsprechend höher sind Aufmerksamkeit, Verständnis- und Erinnerungsleistung.
Fazit: Nichts berührt und bewegt uns mehr als reale sinnliche Erfahrung.
Neuromarketing trifft digitalen POS
Solange der Mensch nicht zum Cyborg mutiert, bilden die von den Hirnforschern belegten Erkenntnisse im Rahmen des Neuromarketings auch für die Werbe- und Konsumwelt strategische und konzeptionelle Grundlagen.
Bei einer aktuellen Umfrage des gmvteams, ein Gemeinschaftsprojekt für die Zukunft des Einkaufens beteiligten sich 864 Smartphone-User, Altersgruppe 14 bis 25 Jahre.
Im Fokus stand die Frage, welche Vorzüge der Einkauf im Geschäft vs. Online-Shopping bietet. Klarer Sieger war das multisensorische Erlebnis am analogen POS: Produkte in Augenschein nehmen, sie real berühren und testen können – rund 70 Prozent votierten für diesen Schlüsselaspekt. 61 Prozent schätzten auch den Vorteil, das Objekt der Begierde sofort in Empfang nehmen zu können.
Sammlerinnen und Jäger
Während bei diesem Kernargument kaum geschlechtsspezifische Unterschiede festgestellt wurden, scheinen andere Punkte vor allem bei Frauen eine ausschlaggebende Rolle zu spielen: So entspricht Shoppen als Freizeitbeschäftigung mit 47 Prozent vs. 39 Prozent eher einer weiblichen Domäne.
Während die Herren möglichst schnell zum Kaufergebnis kommen wollen, genießen die Damen den Einkaufsbummel zudem als Inspirationsquelle für andere Produkte (30 vs. 23 Prozent).
Ergebnisse, die auch Neuromarketer bestätigen würden: die Frau, die Sammlerin, der Mann, der Jäger. Auf welchen Wegen versucht wird, den sinnlichen Appeal des digitalen POS zu verstärken, erfahren Sie in meinem nächsten Blog-Beitrag.
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