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Der Haptik-Effekt-Blog
von Touchmore

Die unbewusste Macht der Berührung

(Bildquelle: Stapag)

Bereits mit den ersten Tastversuchen prägen sich Vorlieben und Abneigungen in die haptischen Bereiche unseres Gehirns ein. Noch bevor wir uns unserer selbst bewusst werden. Erst im Alter von circa zwei bis drei Jahren sprechen Kinder in der ersten Form Singular von sich, statt sich selbst beim Namen zu nennen. Bis zum 7. Lebensjahr hat sich bereits ein haptischer Musterstock gebildet, der uns ein Leben lang begleitet, sich fortwährend bestätigt, anreichert und variiert.

Auf dieser Basis ruft jede Berührung verwandte Informationen in unserem Gehirn wach. Etwas ist beispielsweise weich und kuschelig – welche Assoziationen wecken diese Reize? Ein Phänomen, das die Psychologen Priming nennen. Sinngemäß übersetzt: assoziative Anbahnung. Das Gehirn vergleicht die neue Information mit seinem Musterschatz, um blitzschnell zu entscheiden, welche Deutung bzw. Reaktion angemessen ist.

Der Neocortex, wo als jüngster Teil unseres Gehirns u.a. das Reflexionsvermögen verortet wird, kann dabei ausgeschaltet sein und bleiben – wie eine Versuchsreihe von Prof. J. M. Ackerman und Team am Massachusetts Institute of Technology (MIT) eindrucksvoll demonstriert.

Es handelte sich um Undercover-Studien, bei denen die Testteilnehmer bewusst mit einer Aufgabenstellung konfrontiert werden, die vom eigentlichen Studienzweck ablenkt. In diesem Fall wurden haptische Codes eingeschmuggelt.

Im ersten Versuch wurden die Probanden gebeten, aufgrund von Bewerbungsunterlagen die Qualifikation von Jobkandidaten einzuschätzen. Unter der Hand wurde ein haptischer Reiz gesetzt. Die Bewerbungen wurden auf Klemmbrettern gereicht – eine Gruppe erhielt die Light Version, die andere ein schwergewichtigeres Exemplar.

Durchweg am besten schnitten die Bewerbungen auf den gewichtigen Klemmbrettern ab. Ihre Verfasser wurden als kompetenter und entschlossener bewertet – „schwer“ wurde in dieser Situation mit „fähig“ gleichgesetzt.

In einem anderen Experiment wurden den Testteilnehmern Stühle mit entweder weicher oder harter Sitzfläche untergeschoben. Ihre Aufgabe: den Preis für ein Auto verhandeln. Nachdem der Verkäufer das erste Angebot beider Stuhl-Fraktionen abgelehnt hatte, wurde nachverhandelt. Während die Weichplatzierten bis zu 1.300.- Doller mehr als zu Beginn boten, bremsten die Hart-Sitzer bei 900.- Dollar entschieden ab.

Wie ein weiterer Versuch zeigte, reicht schon die Berührung einer wohl temperierten Tasse Kaffee, um das Muster soziale Wärme zu aktivieren. Dieses Mal wähnten sich die Probanden auf dem Weg zu einer Studie, bei der es galt, die Gemütsverfassung von Personen zu beurteilen.

Im Fahrstuhl bat ein Undercover-Versuchsleiter die Testkandidaten, kurz einen Becher Kaffee zu halten – die eine Version „kalt“, die andere „heiß“. Beim nachfolgenden Test schätzten die Kandidaten mit dem warmen Griff die zu beurteilenden Personen als sympathischer und freundlicher ein als die Kandidatengruppe, die zuvor die kalte Tasse Kaffee hielt.  

Was wir berühren, berührt uns – direkt, meist unbewusst und nachhaltig. Eine Erkenntnis, die sich auch auf Werbemedien vom Prospekt bis zur Verkaufshilfe, vom haptischen Markensymbol bis zum Händedruck übertragen lässt.

Weiche Textur weckt Vertrauen und erhöht die Verhandlungsbereitschaft, höheres Gewicht weckt die Assoziationen Seriosität und Kompetenz, Wärmespender im Kundenkontakt macht den Verkäufer sympathischer ...


Ackerman, J.M., Nocera, C.C. & Bargh, J.A. (2010): Incidental Haptic Sensations Influence Social Judgements and Decisions. Science, 328, 1712-1715.