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Der Haptik-Effekt-Blog
von Touchmore

Disney, der Neuromarketer, kennt Dein Hirn

Und er will Deine Gefühle

Disney, der Neuromarketer, kennt Dein Hirn

Dieses Bonmot frei nach Roger Dooley, des aktuell vielleicht einflussreichsten US-amerikanischen Neuromarketers, bringt die frühe psychologische Meisterschaft seines Landmanns Walter Elias Disney (1901 – 1966), den wir alle als „Walt“ kennen und lieben gelernt haben, schnörkellos auf den Punkt.

Aktueller Anlass ist das jüngste jüngste Pixar-Opus “Inside Out” (Kinostart in Deutschland unter dem Titel “Alles steht Kopf”). Die animierte Geschichte spielt sich überwiegend im Kopf der Hauptdarstellerin, der 11-jährigen Riley ab: der Schauplatz für die fünf maßgeblichen und miteinander agierenden Emotionen Freude, Wut, Ekel, Angst und Traurigkeit.

Die faszinierende Geschichte verarbeitet dabei gezielt Elemente der Neurowissenschaften, der Science Fiction und der Emotionalen Intelligenz. Es ist sicher kein Zufall, dass Disney-Filme und die Disney-Charaktere auch die meisten Erwachsenen in ihren Bann ziehen.

Deutlich wird dies, wenn man die nicht weniger fesselnde Hintergrundgeschichte zu diesem Film streift und einen Blick auf Walt Disneys Obsession für die menschliche Psychologie und die menschlichen Emotionen wirft.

Von Walt Disney ist dokumentiert, dass er sich schon in jungen Jahren intensiv mit Psychologie und Emotionen beschäftigte und seinen Forscherdrang lebenslang pflegte und systematisierte. Diese Tradition fand auch nach dem Tod des Meisters ihre Fortsetzung. Die langjährige Kooperation der Walt Disney Company mit dem Austin Neuromarketing Lab legt hiervon ein beredtes Zeugnis ab.

Disneys Wissen fand Eingang in die Animation seiner Figuren – und nahm vieles von dem, was Wissenschaftskoryphäen wie der israelisch-US-amerikanische Psychologe Daniel Kahneman (geb. 1934) oder auch der US-amerikanische Psychologe und Evolutionsbiologe Geoffrey Miller (geb. 1965) durch ihre bahnbrechenden Forschungsarbeiten dokumentierten, auf erstaunlich subtile Weise vorweg.

Emotionen als Treiber unseres Handelns

Ein gern zitierter Beleg und Disney-Klassiker, der Cartoon „Reason and Emotion“ von 1943, zeigt die Antipoden Verstand - Ratio -zivilisierter Mensch auf der einen Seite im Widerstreit mit den unbewussten/unkontrollierten Emotionen, personifiziert durch die Figur des Höhlenmenschen.

Der bekannte Propaganda-Zeichentrickfilm aus dem 2. Weltkrieg illustrierte lange vor Kahnemans Beweisführung die duale Natur der menschlichen Entscheidungsfindung: Der Mensch als das intuitiv denkende und handelnde Wesen und das rational handelnde Wesen. Disney wie Kahneman bilanzieren: Vorteil „Höhlenmensch“ – Emotionen sind die eigentlichen Treiber unseres Handelns.

Diesen roten Faden greift auch die neue Pixar-Animation “Inside Out” auf subtile und artistische Weise auf. Für das Projekt ging das Produktionsteam eine enge Kooperation mit dem US-Psychologen Paul Ekman ein. Ekman ist gleichzeitig Chef der in San Francisco beheimateten Paul Ekman Group.

Paul Ekman gilt als Urheber der neurokulturellen Theorie der Emotionen und des so genannten “Facial Codings”. Darunter versteht der Amerikaner eine physiologisch orientierte Klassifikation der emotionalen Gesichtsausdrücke. Nicht eingearbeitet in dieses System sind die Körpersprache sowie die non-emotionale Mimik (die aber ca. 70% des Mienenspiels ausmacht). Besonders wichtig ist die interkulturelle Teilhabe an den Facial Codings: Sie werden von allen Menschen kulturübergreifend geteilt.

Es ist insbesondere die Pixar-Ekman-Kooperation, die “Inside Out” die geradezu magische Authentizität und emotionale Durchschlagskraft verleiht. Ein Wimpernschlag hier, ein Zittern der Lippen dort: Die Filmcharaktere wirken weniger durch ihre lebensechte Animation so realistisch, sondern durch ihren nuancierten Mikrokosmos an Emotionen und Gesten.

So wird beispielsweise der präfrontale Cortex - der Teil unseres Gehirns, der für das Unbewusste zuständig ist - als gefährlicher Ort dargestellt, in dem die Hauptfiguren sich in Picasso-ähnliche Gestalten verwandeln und Angst um ihre Existenz haben müssen.

Disney, der Neuromarketer

Die Walt Disney Company und Pixar treffen aber noch einen weiteren Nerv: Emotional besonders berührend sind nämlich die Stellen, die uns vor Augen führen, dass wir alle die gleichen Emotionen besitzen und diese sich lediglich unterschiedlich ausprägen.

So schafft Disney gleich mehrere Spagate: Einerseits fühlen wir uns den Filmfiguren verbunden – obwohl sie gar keine von echten Menschen verkörperte Schauspieler sind. Andererseits führt „Inside Out“ uns die Gleichheit aller Menschen vor Augen, ohne dabei Gleichmacherei zu betreiben.

Letztendlich gelingt das, wovon viele Filmemacher träumen: ein (Kinder-)Film mit Hirn und Herz, der nicht nur den Nachwuchs anspricht, sondern auch ihre Eltern. Dies glückt Disney nicht allein auf der Grundlage ausgeprägten Marktgespürs, besonders talentierter Geschichtenschreiber und dem Einsatz von Mega-Hightech.

Es ist die gewachsene Symbiose zwischen Entertainment und den um das Zentrum der Neuroscience herum angeordneten Wissenschaften, die Disney zu einer Speerspitze des Neuromarketings werden ließ.

Ja, es ist wahr: Disney, der Neuromarketer, und seine Nachfolger kennen Dein Hirn. Sie wollen Deine Gefühle – und bekommen sie!