Vor Europas größter Digitalsause, der Kölner dmexco im September, meldete sich Christian Meyer im einem offenen Brief in der w&v zu Wort und las der Digiconomy die Leviten. Das wäre nicht weiter der Rede Wert gewesen, wäre Meyer nicht zufällig auch Senior Media Manager Europe und Head of Digital bei der Theo Müller Gruppe.
Damit ist er auch Herr und Gebieter über einen der größten Werbe-Etats hierzulande. Entsprechend große Kreise zog seine vernichtende Kritik, die ich in meinem Blog Alles dmxco oder was? aufgegriffen habe.
Digitalmarketing? „Machen wir jetzt nicht mehr.“
Müller verabschiedete sich gleichzeitig mit seiner kämpferischen Ansage gegen den digitalen Hype aus dem Kreis der Big Spender für das Digitalmarketing: „Machen wir jetzt nicht mehr.“ Mit seiner knackig formulierten Kritik hat Christian Meyer so manchem Marketer aus der Seele gesprochen. Das gilt natürlich in besonderem Maße für “Mr. Media” Thomas Koch, dem unermüdlichen Rufer in der digitalen Marketingwüste.
Meyers emotional inszenierter, aber gleichwohl auch von ihm begründeter Abschied vom digitalen Marketingtreiben samt Tools und Buzzwords inspirierte Koch zu einer scharfsinnigen Verlängerung der Meyerschen Kritik samt Exitstrategie für die werbungtreibende Wirtschaft in seiner lesenswerten Kolumne “Werbesprech - Auf diese 10 Dinge kann Werbung verzichten” in der WirtschaftsWoche.
Koch zitiert Tobias Kollmann, BWL-Professor an der Uni Duisburg-Essen: „Die meisten Industriekapitäne stehen auf dem Deck der immer noch funktionierenden Titanic. Dabei ist der digitale Eisberg schon in Sicht.“
Analoger Reset des Marketings
Neben seiner treffsicheren und stets amüsanten Polemik ist sein Beitrag aber vor allem durch den Hinweis auf Byron Sharpe und dessen Reset des Marketings lesenswert. Eine Art Durchtrennung des digitalen Gordischen Marketingknotens. “Wäre es da nicht schön, man könnte etwas Ballast abwerfen? Wäre es nicht genial, wenn jemand empirisch nachweisen würde, auf welche Maßnahmen das moderne Marketing und die trendige Werbung verzichten können?”
Byron Sharp, seines Zeichens Marketing-Professor und Director des Ehrenberg-Bass Institute for Marketing Science an der University of South Australia, kann sich diese fundamentale Pionierleistung zurechnen. Nachvollziehbar dokumentiert hat er sie in den beiden Marketing-Beststellern “How Brands Grow: What Marketers Don't Know” (2010) und “How Brands Grow: What Marketers Don't Know” Teil 2 (2015).
Reichweite statt Relevanz
Reichweite oder Relevanz? Sharp schlägt sich auf der Basis zahlreicher Studien auf die Seite der Reichweite. Das Wachstum einer Marke basiert nicht auf dem Kaufverhalten von Markenfans, sondern auf der Motivation von opportunistischen Neukäufern. Dazu braucht es vor allem Reichweite. Die bieten vor allem TV und analoge Medien, die digitalen stellen zusätzliche Möglichkeiten bereit, solange sie dem Credo des „Sophisticated Mass Marketing“ zu subsumieren sind.
In seinen Büchern befreit Sharp das Marketing von allem Wortgeklingel vor allem der Digiconomy und stellt es zurück auf die Füße empirisch-wissenschaftlichen Marketingwissens. In der Konsequenz sieht Thomas Koch den Abschied von gleich 10 Marketingtools als schlichte Irrwege, darunter Markendifferenzierung und USPs, Zielgruppensegmente und -profile, Zielgruppen-Targeting, Aufbau von Markenwerten („brand value“), Customer Relationship Marketing (CRM), Markenbindungs- und Loyalitätsprogramme, Promotion- und Preisaktionen, Neue Medien („New Media“) und Influencer Marketing.
Ob das in dieser – zweifelsohne auch polarisierenden - Radikalität zielführend ist, sei einmal dahingestellt. Doch an Byron Sharps “Back to the Future of Marketing” kann kein gesunder Zweifel herrschen. Marken wachsen durch Neukäufer, deshalb braucht man vor allem kontinuierliche und reichweitenstarke Werbung.
Gehirngerechte Marken
Erkennbarkeit geht für Marken vor Differenzierung! Starke Marken besetzten möglichst viele mentale Eintrittspunkte für die Produktkategorie. Diejenigen Marken, die klar wiedererkennbare und leicht zu entschlüsselnde Codes nutzen bzw. sogar besitzen, sind die Sieger.
Nicht den superspitz mit Microtargating in fanatischen Fan-Bases verankerten Hip-Marken gehört die Zukunft, sondern denen, die uns Erleichterung im Alltag schaffen, weil sie klar erkennbar ein relevantes Nutzenangebot machen, das mein Gehirn im richtigen Moment entlastet. Gehirngerechte Marken eben.
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