Noch immer sind sie rar gesät: Spezialisten, die ihre Haptik-Expertise für das Marketing fruchtbar machen. Während die neuen Erkenntnisse über den vielschichtigen Tastsinn wachsen, hinkt die praktische Umsetzung weiter hinterher.
Kein Novum, denn wie Forscher gerne betonen, vergehen meist Dekaden, bevor sich selbst bahnbrechende Neuentdeckungen auf breiter Ebene durchsetzen.
Ungeachtet dessen bereichert die Erforschung des Fühlsinns bereits den florierenden Trend zum Wissenschaftsmarketing, insbesondere von global agierenden Markenartiklern längst entdeckt und praktiziert.
Die klassische Trend-Pyramide greift auch hier: An der Spitze die überschaubare Gruppe der Vorreiter, gefolgt von einer größeren Schar Early Adopters, die wiederum Trichterfunktion für den tragenden Sockel hat.
Wer auf neue Erkenntnisse setzt, braucht einen langen Atem – beflügelt von der Überzeugung, dass sich der Einsatz lohnt. Je tiefer wir in die Erforschung des Tastsinns eintauchten, desto sicherer wurden wir, hier effektive Ansätze für wirkungsvolleres Marketing gefunden zu haben.
Die Faszination für die Talente des Tastsinns ist in der intensiven Auseinandersetzung mit ihm noch gewachsen: die implizite Überzeugungskraft dessen, was wir hautnah spüren können, die bewusstseins- und realitätskonstituierende Funktion, seine sozialen Qualitäten – die Freude an der Berührung, an emotionaler Werbung …
Die Ableitungen für Werbung und Verkauf liegen auf der Hand. Wo abstrakte Verkaufsargumente immer weniger greifen, der Vertrauensverlust grassiert und auch die digitale Zweitwelt an ihre Grenzen kommt, füllt die Berührbarkeit eine gähnende Lücke.
Die Nachfrage nach taktiler Expertise fürs Marketing zieht jetzt spürbar an, wie wir auch aus unserem Agenturalltag bestätigen können – ob haptische Verkaufshilfe oder Mailing-Add-on – das Bewusstsein für die kommunikativen Qualitäten berührbarer Reize wächst.
Spannend zu lesen, dass jetzt in der Schweiz eine Haptik-Agentur an den Start geht – wie Gründer Walter Wolf Windisch vermutet, die erste im Alpenland überhaupt.
Der Marketeer, Künstler und Erfinder Windisch blickt auf einen abwechslungsreichen Lebenslauf zurück: studierte Betriebswirtschaft, arbeitete als Art Director, entwickelte Spiele, schrieb Bücher, meldete Patente an – und pflegt eine lebenslange Vorliebe für den Tastsinn.
Professionelle Berührungspunkte gab es bereits in seinen Tätigkeiten als Designer, Erfinder und Berater. Mittlerweile hat Windisch auch die Lehre von der Haptik studiert. Wie er aus seiner Berufspraxis bestätigt, wird dieser Sinn in der Werbung und Kommunikation von Unternehmen bisher am seltensten angespielt.
Und das obwohl Berührungsreize länger und tiefer im Gedächtnis haften als akustische oder visuelle Reize, wie auch Windisch betont. Jedes taktile Signal kommuniziert: Oberflächenstruktur, Form, Konsistenz, Gewicht, Temperatur – jede direkte Kontakt, jeder Griff löst implizit Assoziationen aus, die wiederum nachhaltig zur Bewertung eines Produktes oder Unternehmens beitragen.
„Wer sein Unternehmensprofil schärfen will, muss die eigene Identität sichtbar und begreifbar inszenieren“ – so das Motto von Windischs Agentur.
Ziel der multisensorischen Strategie: eindeutige Wiedererkennung schaffen und „haptisches Sehnsuchtspotenzial“ wecken. Beispielsweise mit Anhängern für eine Bank, an denen Kuschelbällchen aus Wolle baumeln und immer wieder zur Berührung locken – die implizite Botschaft: Nähe, Vertrauen, Wärme, basierend auf haptischen Codes, die wir schon in Kindertagen gespeichert haben.