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Der Haptik-Effekt-Blog
von Touchmore

Haptik als Grundbedürfnis

Warum Berührung unverzichtbar ist

Need for Touch (Bild: GaborfromHungary, morgueFile.com)

Tasten gehört zu unseren ersten körperlichen Erfahrungen, denn schon bevor wir riechen, schmecken oder sehen können, fühlen wir jede Berührung. So ist unsere Haut bereits nach 14 Wochen berührungsempfindlich, ab einem Alter von 26 Wochen spüren wir Schmerz. Trotz seiner frühen Verfügbarkeit, arbeitet unser Tastsinn hochgradig diffizil.

So melden Prurirezeptoren alle Juckreize, Nozizeptoren sorgen für Schmerz, Thermorezeptoren informieren uns über Temperaturen und sogenannte „low threshold mechanoreceptors“ reagieren auf leichte Berührungen – sowohl auf aktive (haptische), als auch passive (taktile). Bei all diesen Vorgängen spielen Nervenenden eine tragende Rolle, die wiederum in Zellen eingebettet sind.

Merkel-Zellen – die haptischen Wunderhelfer

Bei uns und anderen Säugetieren sind vor allem die sogenannten Merkel-Zellen relevant. Wer nun eine Verbindung zu unserer Bundeskanzlerin wittert, ist auf dem Holzweg. Die genannten Zellen wurden bereits 1875 entdeckt, und zwar von einem Göttinger Anatomen namens Friedrich Merkel. Er entdeckte die kleinen Helfer in der äußersten Hautschicht und nannte sie zunächst Tastzellen.

Seine Entdeckung blieb nicht unbeachtet und löste weitere Forschungen aus. Ardem Patapoutian führte beispielsweise Tests mit Labormäusen durch, ging den molekularen Feinheiten nach und stieß dabei auf den Ionenkanal Piezo2, der auch bei Tieren vorkommt, die eher seltene Laborgäste sind: Enten.

Mit ihnen arbeitete Yale-Forscherin Elena Grachova und wollte Sensoren isolieren, die ausschließlich dem Ertasten dienen und nicht mit anderen Sinnen verbunden sind. Die Trennung fällt oft schwer, denn Menschen sehen oft, wonach sie tasten und ihre Fingerspitzen sind prall gefüllt mit Sensoren jeglicher Couleur.

Enten haben indes nur eines im Kopf: Nahrung. Sie interessieren sich nicht für Temperaturen oder visuelle Reize. Wenn Enten hungrig sind, gieren sie nach Futter und aus diesem Grund ist ihr Schnabel ein biologisches Wunderwerk, das auf den gleichen Ionenkanal namens Piezo2 zurückgreift, wie es beim Menschen der Fall ist.

Damit sind Enten ein echter Spezialfall, denn beim Jagen spielt die Haptik in der Regel eine untergeordnete Rolle. Für das tierische Sozialleben ist der Tastsinn hingegen unverzichtbar. Das beweist unter anderem ein Experiment, dass der Psychologe und Verhaltensforscher Harry Harlow bereits in den 1950er Jahren durchführte.

Haptische Bedürfnisse – Berührung wichtiger als Nahrung

Er wies nach, dass das Bedürfnis nach Berührung, Wärme und Geborgenheit dem Streben nach einer konstanten Nahrungsaufnahme überlegen ist. Dazu isolierte er junge Rhesusäffchen von ihren Müttern und setzte ihnen Attrappen vor. Die eine Hälfte der Affen wurde – via spezieller Vorrichtung - von einer Drahtmutter ernährt, die andere von einer Stoffmutter.

Die Untersuchungen ergaben, dass die jungen Äffchen die Stoffmutter bevorzugten – egal, ob diese den Nachwuchs mit Nahrung versorgte oder nicht. Die kleinen Affen entwickelten sogar eine richtige Beziehung zu ihr und verbrachten bis zu 15 Stunden bei der Attrappe. Die Drahtmutter schaffte es niemals über zwei Stunden.

Seit den 1960er Jahren gab es weitere Experimente dieser Art, die allesamt belegen, dass derartige Bindungsbedürfnisse bei Primaten- und Menschenkindern einen primären Überlebensstatus haben, der tief biologisch verankert ist und so eine tragende Bedeutung für die individuelle Sozialisation hat.

Berührung im Alltag – ein seltenes Gut

Heute wären solche Versuche undenkbar, dafür gibt es zahlreiche andere und viel alltäglichere. So wurde festgestellt, dass Kellner durch zufällige Berührungen höhere Trinkgelder erhalten. Darüber hinaus ist unser Verlangen nach einem Produkt meist stärker, wenn wir es erst einmal in der Hand hatten.

In unserer digitalisierten Welt fehlen uns solche haptischen Erlebnisse. Wir bestellen Pizza via Smartphone-App, kaufen im Online-Shop ein und chatten mit Personen, die viele Kilometer entfernt sind. Das sorgt dafür, dass nicht nur die taktile, sondern oft auch die haptische Dimension der Kommunikation auf der Strecke bleibt.

Je mehr diese Entwicklung Einzug erhält, desto mehr sehnen wir uns nach Berührung. Schließlich lässt sich unser ältester Sinn nicht einfach abschalten. Nichtsdestotrotz sollte der Tastsinn nicht der Verkümmerung zum Fraß vorgeworfen werden, denn letztendlich braucht ein komplexes System vor allem eines: Pflege.