Die Konsumwelten sind buchstäblich im Fluss. Es regiert der Wandel. So feiern nicht nur täglich neue Produkte ihren Markteintritt, sondern auch die Vertriebswege, die Marketingstrategien und die Versorgungsketten ändern sich fortlaufend. Die Treiber: die täglich zunehmende Schnelllebigkeit, angefeuert durch selbstlernende Algorithmen, sowie die unaufhaltsame Individualisierung der Lebensführung.
Der Wunsch nach individuellen Produkten ist im 21. Jahrhundert größer als je zuvor. Luxuriöse Feinkost, Schallplatten aus dreifarbigem Vinyl, Vintage-Kleidung aus dem Second Hand-Laden, 3D-Drucker: Massenware ist unerwünscht. Gleichzeitig stehen den Marketing-Abteilungen Instrumente zur Verfügung, die einen tiefen und effektiven Einblick in die Herzenswünsche ihrer Kunden erlauben – und sie werden immer zuverlässiger.
So dürfen wir davon ausgehen, dass die sogenannten Wearables nicht nur Informationen über unsere Konsumvorlieben tracken, sondern kurzfristig(er) auch Echtzeitdaten über unseren Gemütszustand, unsere Fitness und unsere letzte Mahlzeit. Das Ladenlokal der Zukunft könnte Stammkunden schon beim Betreten des Geschäftes identifizieren und ihnen Rabatte gewähren – via Software statt per Handschlag.
Die Eroberung einer neuen Zwischenwelt
Auch der Fernsehkonsum muss sich den rasanten Individualisierungstendenzen stellen. Nicht unwahrscheinlich, dass der scheinbar unverzichtbare Zapper schon bald auf den Elektroschrott wandert. Das TV der Zukunft, das ohnehin mit dem Internet verschmilzt, übernimmt die Regie, wählt unsere Lieblingsprogramme oder Filme passend zur unserer Stimmung , platziert individualisierte Werbeblöcke zwischen unsere Lieblingsserien und möchte uns per Bewertungssystem natürlich noch besser kennenlernen.
Trendforscher Sven Gábor Jánszky spricht von einer „Schicht aus Software“, die sich zukünftig zwischen den Konsumenten und die Ware lege. Gleichzeitig fordert er die Marketing-Abteilungen auf: „Besetzen Sie die Schicht“. Denn nur wer die Software-Schicht kontrolliere, bestimme zukünftig die Regeln des Konsums. Auch GfK-Experte Robert Kecskes ist sich sicher: „Wir werden extreme Veränderungen in allen Lebensbereichen erleben“.
Parallel zur Eroberung der Datenschicht wird aber auch die Relevanz der Haptik - das haptische Einkaufserlebnis - weiter zulegen. So ist es zwar einerseits möglich, beinahe alle Besorgungen via Internet zu erledigen. Gleichzeitig befeuert die zunehmende sensorische Verarmung aber auch unseren natürlichen Need for Touch.
Haptik als Nabelschnur durch die Datenschicht
Das erscheint in Zeiten der Digitalisierung überraschend, wird doch vor allem den Digitalkonzernen wie Google und Facebook eine tragende Rolle im Marketing-Mix zugeschrieben. Unsere Haptik hat für das Begreifen von Produkten aber eine herausragende Bedeutung. Je mehr wir nämlich twittern, posten und teilen, desto stärker wird unser Verlangen nach andauernden und anfassbaren Botschaften.
Dieser Effekt wird sich auch dann bemerkbar machen, wenn der digitale Wandel nun in Abfolgen von Wellen über uns hereinbricht. Vertraut man Experten, könnte das rapider geschehen, als uns vielleicht beliebt: "Die Veränderungen vollziehen sich schneller, fundamentaler und weitreichender", so Robert Wucher von der GfK.
Unternehmen, die das Spannungsfeld zwischen Digitalisierung und dem Wunsch nach Haptik nicht nur verstehen, sondern auch geschickt ausspielen, verbinden Käufer und Konsumwelt mit einer Art Nabelschnur – auch durch die intangible Datenschicht hindurch.