Zum Hauptinhalt springen

Währung, Wahrheit und haptisches Vertrauen

Haptische Anker durch Offline-Marketing

Währung, Wahrheit, haptisches Vertrauen ©touchmore

“Money makes the world go around”, lautet der Refrain von “Money Money”, den Liza Minelli gemeinsam mit Joel Grey in dem Filmmusical-Klassiker “Cabaret” unnachahmlich in Szene setzt.

Das Lied existierte noch nicht in derBühnenfassung von “Cabaret” aus dem Jahr 1966 und wurde erst für die Filmversion von 1972 komponiert. John Harold Kander schrieb die Musik in Es-Dur und der Paralleltonart c-Moll. Als Tempo gab der US-amerikanische Komponist ein “moderately bright” vor, was sich mit “mäßig munter” übersetzen ließe.

Doch keine bange, ich möchte hier kein Musikseminar vom Zaune brechen. Der Titel des Films und der allenthalben angestimmte Schwanengesang auf das baldige Ableben unseres Bargeldes setzt die Weise von 1972 aber in vielen Köpfen nahezu automatisch in Gang.

In der Realität des 21. Jahrhundert (und damit meine ich keine der augenblicklich viel zitierten “alternativen Realitäten”) erklingt der Abgesang im Tempo des “moderately fast” und nähert sich dem “presto”.

Erst stirbt das Wechselgeld, dann das Bargeld

In Schweden sogar dem “prestissimo”. Die schwedische Gesellschaft gilt augenblicklich als die bargeldloseste auf diesem Planeten. Hier lässt sich wie in einer offenen Feldstudie studieren, was passiert, wenn sich unser Bargeld in die digitalen Sphären verflüchtigt und die Wechselwirkung von Währung, Wahrheit und haptischem Vertrauen ausgesetzt wird.

Lediglich für 30 Prozent der Einkäufe im schwedischen Einzelhandel wird Bargeld eingesetzt. Die großen Banken des Landes haben in der Spitze bei drei von vier Banken die Bargeld-Dienstleistungen verabschiedet.

“Einzelhändler und Firmen dürfen die Annahme von Bargeld verweigern. Schilder mit dem Hinweis „Keine Barzahlung” sind in Geschäften und Restaurants in ganz Schweden gang und gäbe. Auch der Hinweis, dass Bargeld nur akzeptiert wird, wenn man es passend hat, ist keine Seltenheit.”

Unter dem Strich zahlen alle Wirtschaftsteilnehmer auf die Abschaffung der physischen Schwedischen Kronen ein, ob Banken, die Wirtschaft oder die nachrückenden Generationen. Doch mit dem erfolgreichen Rütteln am physischen Fundament ihrer Währung errodieren sie auch das multisensorisch-haptische Vertrauen als unseren psychologischen Wahrheitssinn.

Währung, Wahrheit und haptisches Vertrauen

Gleichwohl wird den schwedischen Behörden das Tempo der Entdinglichung ihrer Währung langsam unheimlich. Die anfängliche in Dur-Tönen gefärbte Begeisterung wird augenblicklich von einer eher in Moll gehaltenen Skepsis überlagert.

Die anfängliche Euphorie sieht sich durch einen Diskurs zu den Risiken einer bargeldlosen Gesellschaft wenn nicht eingefangen, dann doch zumindest merklich abgebremst. Dabei geht es in erster Linie um die Diskriminierung der älteren, Bargeld-affinen Generationen, das Fehlen einer stabilen, austarierten bargeldlosen Infrastruktur sowie die damit zusammenhängende Anfälligkeit für Cyber-Kriminalität.

Was dem Diskurs aber augenscheinlich abgeht, ist darüber hinaus die psychologisch-sinnliche Komponente des physischen Geldes, wie ich sie in einem meiner Blogs von 2014 zum Thema multisensorische Chiffren und das Garantieversprechen des Geldes aufgegriffen habe: “Da liegt die Frage nahe, ob nicht auch unser profanes Zahlungsmittel Geld – jedenfalls dort, wo es noch anfassbar ist - so etwas wie einer Ästhetik unterliegt. Eine Ästhetik des Geldes als Teil des kulturellen Überbaus unserer Gesellschaft.”

Anders formuliert: Es geht um nichts weniger als die Verknüpfung von Währung, Wahrheit und haptischem Vertrauen.

Im Sog der digitalen Expansion

Erst allmählich begreifen wir das Ausmaß auch der negativen Veränderungen, die Digitalisierung und die sozialen Netzwerke in ihren Gefolge ausgelöst haben. Der Wahrheitsbegriff oszilliert zwischen rhetorischem Spielball und allgegenwärtig verfügbaren Bildbearbeitungspogrammen.

Was uns als Wahrheitskriterium bleibt, ist unser Tastsinn als psychologischer Wahrheitssinn. Haptisches Vertrauen ist gerade beim Bargeld grundlegend: “Der überstrapazierte visuelle Sinn kann den grassierenden Vertrauensverlust nicht kompensieren. Haptische Anker sind heute ein Muss.”

Haptik und Finanzen sind ein komplementäres Begriffspaar, denn “… Geld ist ein Versprechen auf Vertrauensbasis. Im Sog der digitalen Expansion erodiert mit dem Filialsterben der Banken auch Vertrauen.” Währung, Wahrheit und haptisches Vertrauen sind ein Dreiklang, aus dem niemand ohne weitreichenden Folgen ein Element herauslösen kann.

Warum die Zukunft des Marketings nicht nur digital sein wird

Um so befremdlicher, dass die Banken auch hierzulande, wo das Bargeld den Umfragen und Statistiken zufolge - noch - einen sicheren Platz in der Mitte der Gesellschaft hat, der bargeldlosen Gesellschaft das Wort reden. Erschwerend tritt der Rückzug aus der Fläche hinzu. Ein Teufelskreis: Mit dem Einschrumpfen der Filialnetze werden sie samt Dienstleistungsportfolio unsicht- und damit unfassbarer. Aus den Augen, aus dem Sinn!

Die Finanzökonomie ist auf dem schlechtesten Wege, zu einem Abstraktum zu mutieren. Sie sollte es besser wissen. Denn der Marketingmix wird auch und gerade in Zukunft ein gerüttelt Maß an Offline-Marketingkomponenten enthalten. Allem voran Print.

Möchten auch Sie mehr zur messbaren Überzeugungskraft von Printprodukten erfahren? Dann lernen Sie durch unser kostenloses Whitepaper „The Power of Print - Warum die Zukunft des Marketings nicht nur digital sein wird“, warum Print in einer flirrenden, digitalen Welt Marken real erfahrbar und Nutzenversprechen begreifbar macht.